06.08.2020: Hängeseilbrücke Geierlay


Auch wenn uns Corona die Orlando-Tour vermasselt hat (was ich ehrlicherweise gar nicht so schlecht finde, da mir die Tour dieses Jahr gar nicht so richtig passte), muss man sich ja nicht gleich zuhause einsperren. Stattdessen bietet es sich doch an, auch mal die Sehenswürdigkeiten der Heimat zu erkunden. So wollten meine Eltern im Sommer mal die aktuell zweitlängste Hängeseilbrücke Deutschlands begutachten. Schließlich befindet sich diese im Hunsrück, nur eine gute Autostunde von uns entfernt. Dummerweise wollte ich auch mit, weshalb als Termin nur der recht warme 06. August übrig blieb. Dennoch wollte ich etwas mehr, als einfach nur über die Brücke rüberzugehen. Davon ahnten meine Eltern aber noch nichts... 


Doch zunächst ein paar Infos zur Brücke an sich. Ich rede hier von der Hängeseilbrücke Geierlay, welche die Gemeinden Mörsdorf und Sosberg über das Mörsdorfer Bachtal hinweg verbindet. Zusammen mit einem Besucherzentrum in Mörsdorf betrugen die Baukosten rund 1,2 Mio. Euro, wovon das Land Rheinland-Pfalz und die EU den größten Teil gefördert haben. Den Rest steuerten die umliegenden Gemeinden, allen voran Mörsdorf als Initiator des Projekts, bei. Die Brücke selbst ist jederzeit frei zugänglich, es wird kein Eintritt erhoben. Damit dennoch die laufenden Kosten gedeckt werden können, sind die Parkplätze in Mörsdorf und Sosberg aber gebührenpflichtig. Direkt am Besucherzentrum zahlt man 10€ für die ersten 4 Stunden (danach je 1€ pro 15 Minuten), am etwas weiter entfernten Sportplatz für jede Stunde 1€. Alternativ parkt man in Sosberg, wo allerdings (noch) nur eine begrenzte Zahl von Stellplätzen zur Verfügung steht. Mit lediglich 2€ für 4 Stunden zudem heiß begehrt, da in etwa genauso weit von der Brücke entfernt wie die Parkplätze am Besucherzentrum auf der anderen Seite - nämlich knapp 2km, näher kommt man mit dem PKW nicht an die Brücke heran. Da ist relativ klar, welchen Parkplatz ich als Fahrer ausgesucht hatte.


Da man bei einer 85cm breiten Lauffläche der Brücke schlecht den Corona-Mindestabstand einhalten kann, gilt derzeit Einbahn-Verkehr auf der Geierlay. Die Richtung wechselt jede Stunde, in den geraden Stunden von Sosberg nach Mörsdorf, in den ungeraden Stunden von Mörsdorf nach Sosberg. Der letzte Besucher wird jeweils 10 Minuten vor Stundenwechsel auf die Brücke gelassen, dies sollte man also entsprechend beachten. Mein Plan sah demnach vor, kurz nach 10 Uhr in Sosberg anzukommen, zur Brücke zu wandern und diese umgehend zu überqueren. Dann wahlweise warten, bis der Rückweg freigegeben wird, oder Wanderung durchs Tal und unter der Brücke durch.


Und so sicherten wir uns gegen 10:15 Uhr einen der letzten freien Parkplätze in Sosberg. Der mäßige Handyempfang im Hunsrück verhinderte eine Nutzung von Google Maps, und so wanderten wir einfach frei Schnauze los, aus dem Dorf raus und über unbefestigte Wege am Waldrand entlang. Die übrigen Touristen hatten dagegen den Weg zurück durchs Dorf und zwischen den Feldern hindurch rüber zur Brücke gewählt. Dort hatten sie zwar asphaltierte Wege, mussten aber auch durch die pralle Sonne marschieren, während wir immer wieder etwas Schatten genießen durften.



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Humor haben sie ja in Sosberg. Allerdings ist die Geierlay den Titel der längsten Hängeseilbrücke nördlich der Alpen schon seit 2017 wieder los. S



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Blick auf Mörsdorf und darunter den Zugang zur Brücke. 



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Und da hängt sie auch schon. Ein Sicherheitsdienst achtet tagsüber darauf, dass Einbahnregelung, Maskenpflicht und Mindestabstand eingehalten werden.



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Erbaut und eröffnet wurde die Geierlay im Jahr 2015. Im ersten Jahr lockte sie bereits 370.000 Besucher an, wobei 20% davon "nur mal guckten". 



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Die Machbarkeitsstudie von 2010 hatte nur 170.000 Touristen prognostiziert und der rheinland-pfälzische Rechnungshof hatte dringend von dem Projekt abgeraten.



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Ihre 360 Meter wurden 2017 zwar deutlich von der Titan RT im Harz geschlagen, aber Platz zwei in Deutschland hält die Geierlay weiterhin.



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Der maximale Abstand zum Mörsbacher Bachtal beträgt immerhin knapp 100 Meter.



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Getragen wird die Brücke von insgesamt sechs Seilen. Vier unten, die alle 1,49 Meter mittels Stahlträgern verbunden sind. Und zwei oben, die zugleich als Handlauf dienen. 



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Hier die Verankerung der oberen Tragseile am Widerlager.


Auf den erwähnten Stahlträgern sind längs jeweils vier Douglasienplanken mit einer Stärke von 6 Zentimetern montiert. Allerdings stehen die Schraubenköpfe recht weit nach oben raus, sodass man da durchaus schnell drüber stolpern kann. Fand ich jetzt nicht so optimal gelöst, zumal die gefühlt auch nicht mehr alle sonderlich fest zu sein schienen. Ich habe allerdings darauf verzichtet, mich mal runterzubeugen und daran drehen zu wollen. 



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Um das Schwingungsverhalten insbesondere bei starken Winden zu dämpfen ist die Brücke an zwei parabolischen Windlastseilen schräg abgespannt. 



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Hier die Verankerung des Windlastseils auf Sosberger Seite. 



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Und hier auf der etwas felsigeren Mörsdorfer Seite.



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Blick an einem der Abspannseile hinunter. Leicht schwanken tut die Brücke natürlich trotzdem.



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Unter Maske und Sonnenbrille sieht man die Angst aber glücklicherweise nicht. S 



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Zu sehen gibt es ansonsten nicht viel. Nur Wald und ein paar Windräder. 



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Auch in die andere Richtung fast das gleiche Bild. 



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In Richtung Mörsdorf geht es zum Schluss dann doch recht ordentlich bergauf. 



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Dort ist der Berg auch wie gesagt etwas felsiger und steiler. 



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Gleich sind wir drüben. 



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Der Mörsdorfer Brückenkopf. 



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Wie man sieht, muss man hinter der Brücke noch ein wenig klettern, um auf den etwas höher gelegenen "Warteplatz" zu gelangen. 



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So bekommt man einen schönen Blick von leicht oben auf die Brücke. 



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Meine Eltern gingen nach wie vor davon aus, dass wir nun einfach wieder den Rückweg über die Brücke würden antreten... 


Soooo spannend fand ich das jetzt allerdings nicht. Natürlich nichts für Leute mit Höhenangst, aber die Aussicht könnte interessanter sein. Außerdem gab es hier sogar schon eine beachtliche Warteschlange, um überhaupt auf den Platz vor der Brücke zu gelangen. Wir waren zwar logischerweise schon drauf und hätten damit vermutlich auch direkt wieder zurückgehen können, aber ich fand es interessanter, die Brücke auch mal von unten zu bewundern. Also schlug ich vor, stattdessen einen der Wanderwege durchs Tal zu nutzen. 



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Da wusste ich allerdings noch nicht, dass es sich weitestgehend um schmale Trampelpfade durch den Wald handelt. 



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Hier wäre eine Einbahnregelung auch nicht schlecht gewesen. 



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Bei Gegenverkehr wurde es teilweise nämlich schon ziemlich eng... 



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Aber idyllisch ist es dort unten ja. 



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Nach Überquerung des Mörsdorfer Bachs wurden die Wege dann auch deutlich breiter und der Wald lichtete sich etwas. 



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Und nach einer knappen Stunde Wanderung kam dann auch endlich die Geierlay wieder in Sicht. 



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Für mich ist die Brücke ja ein optischer Leckerbissen. 



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Vor allem die Windlastseilen sehen einfach nur elegant aus. 



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Brücke zwischen Bäumen. 



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Brücke von unten. 



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Einfach Schön. 



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Jetzt hätten nur die Wege noch etwas besser ausgeschildert sein müssen. 



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Mehrfach suchten wir vergeblich nach dem nächsten Schild., welches uns die Richtung zeigen sollte. 



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Trotz zwischenzeitlicher Differenzen bezüglich der richtigen Route kamen wir am Ende doch wieder aus dem Tal heraus. 



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Ich muss gestehen, es hätte auch gereicht, über die Brücke zurück und von Sosberger Seite nur ein Stück den Berg runter zu gehen... 



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Aber woher soll man das ohne Karte auch wissen? 



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Und sonst wollen meine Eltern doch auch immer spazieren gehen. S 



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Also warum dann nicht mal fünf oder sechs Kilometer wandern? Bei um die 30 Grad im Schatten... S



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Die Abspannungen am Ende sind direkt im Boden verankert, die Windlastseile enden schon ein gutes Stück früher. 



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Nach gut zwei Stunden erreichten wir endlich wieder den Sosberger Brückenkopf. 


Zurück am Auto musste dann erstmal eine Eisdiele gesucht werden. Die erste in der Nähe war allerdings ein Reinfall, schlussendlich landeten wir in Morbach. Anschließend ging es direkt nach Hause, meine Eltern waren fertig - und ich auch.



Fazit: Ich hätte ja nie gedacht, dass ich meine Eltern mal zu einer Wanderung zwingen würde - vor allem nicht während einer sommerlichen Hitzewelle. Aber die Hängeseilbrücke Geierlay zu besuchen, um einfach nur mal in beide Richtungen rüberzulaufen, kann doch auch nicht Sinn der Sache sein. Zugegeben, der lange Weg durchs gesamte Tal hätte es auch nicht unbedingt sein müssen, aber von unten macht die Brücke halt schon eine sehr gute Figur. Und wir waren bei Weitem nicht die einzigen Wanderer, also scheint das Brückenprojekt sein Ziel ja voll erfüllt zu haben.



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