19.08.2021: Zylinderhaus Bernkastel-Kues


Sagt euch der Name Bernd Benninghoven etwas? Nein? Ging mir bis vor einigen Jahren tatsächlich ähnlich. Und so wirklich viel konnten mir auch die Jungs von Google über ihn nicht verraten. Sicher ist, dass sein Urgroßvater Otto Benninghoven im Jahre 1909 eine Maschinenfabrik in Hilden gründete, welche sich vor allem auf den Bau von Zahnrädern - auch für die Automobilindustrie - spezialisierte. In den 50ern kamen Brenner hinzu, in den 60ern folgten diverse weitere Anlagen zur Asphaltherstellung. Damit begann ein rasanter Aufstieg, der 1970 eine neue Produktionsstätte samt neuem Firmensitz in Mühlheim an der Mosel notwendig machte. Nachdem 1986 die erste Asphaltmischanlage vom Band lief, erweiterte man die Produktion vier Jahre später mit einem zweiten Werk in Wittlich. 2014 erwarb die Wirtgen Group zunächst eine 70%-Beteiligung an der Benninghoven GmbH, ehe sie 2017 ihrerseits von John Deere geschluckt wurde. Unterdessen hatte man auf einem 31 Hektar großen Gelände in Wittlich mit dem Bau eines neuen Stammwerks begonnen, welches 2018 eröffnet wurde. Über 130 Millionen Euro flossen in ein fünfstöckiges Verwaltungsgebäude mit 12.000 Quadratmetern und die weltweit modernste Produktionsstätte für Asphaltmischanlagen mit 60.000 Quadratmetern.


Aber das nur am Rande, es ging ja eigentlich um den Bernd, der als Unternehmer offensichtlich nicht am Hungertuch nagen muss. Glücklicherweise, denn er ist auch ein Autonarr und sammelt Oldtimer, die er in einer eigenen Werkstatt restauriert. Aus der Suche nach einer Unterstellmöglichkeit für seine Schätzchen wuchs schließlich die Idee, mittels eines Museums auch andere Menschen für die - vorwiegend deutsche - Geschichte des Automobils zu begeistern. Und so entstand mit bestem Blick auf die Mosel-Weinberge in Bernkastel-Kues das 2017 eröffnete Zylinderhaus, welches auf 5.000 Quadratmetern über 100 Oldtimer auf drei Ebenen präsentiert. Und wer jetzt denkt, dass da halt ein paar Autos in einer großen Halle nebeneinander stehen, der sollte sich eines Besseren belehren lassen.


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So wie ich bei meinem Besuch am vergangenen Donnerstag, dem 19. August 2021.


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Herr Benninghoven hat Geschmack bewiesen und die Fassade des Zylinderhauses wie ein ehemaliges Fabrikgebäude gestalten lassen.


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Und ja, das sind tatsächlich alles einzelne Verblendziegel - zwar auch aus Kunststein, aber die Optik passt. 


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Den ersten Oldtimer gab es schon vor Betreten des Museums zu sehen.


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Und die Dame an der Kasse wollte meine Daten ebenso. S


Im Eingangsbereich stehen kostenlose Schließfächer zur Verfügung und eine erste Vitrine zeigt eine Sammlung von Modellautos. Der Eintritt kostet 13,50€ für Erwachsene und 9€ für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren - jüngere Besucher kommen kostenlos rein. Dafür bekommt man ein Tagesticket, sodass man das Museum jederzeit verlassen und später am Tag wiederkommen kann. Im Gebäude - aber außerhalb des Museumsbereichs - befinden sich nämlich noch ein Restaurant und ein Tagungsbereich für bis zu 300 Sitze.


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Keine Angst, ich werde jetzt nicht alle 100 Autos einzeln präsentieren. Es soll bei einem groben Überblick mit ein paar Leckerbissen bleiben.


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Auf der unteren Ebene findet sich zunähst eine Reihe von Mercedes-Fahrzeugen.


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Gegenüber finden sich einige Opel. Wie man sieht, hat man dahinter alte Werbeplakate aufgehangen.


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Und die Seite, sowie die Rückwand der Halle wurden als Ladenzeile gestaltet.


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In den Schaufenstern finden sich unzählige weitere Relikte aus vergangenen Zeiten. Hier alte Fahrschul-Requisiten.


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Auch die Entwicklung von Verbandskasten und Warndreieck lässt sich nachvollziehen.


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Das Theming kann sich wirklich sehen lassen. S


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Leider ist damit vieles hinter spiegelnden Scheiben, was das Fotografieren erheblich erschwert.


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Der Modellbauladen ist aber tatsächlich offen, da kann man reingehen.


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Zwischendurch finden sich auch immer wieder ein paar kleinere Gefährte zwischen ihren großen Brüdern.


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Nicht alle Exponate sind eingezäunt.


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Es gibt sogar eine eigene Tankstelle.


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Ein Blick zurück die "Straße" runter.


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Alte Schilder an der Wand. Dahinter befinden sich Aufzug und Treppenhaus.


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Links vom Tor geht es nach oben, in der Ecke rechts befindet sich noch das Postamt.


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Auch wieder begehbar.


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Oben auf der Ladenzeile befindet sich eine kleine Galerie als Zwischenebene.


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Dort werden haufenweise Zweiräder präsentiert.


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Außerdem bietet sich natürlich ein schöner Blick von oben auf die untere Ebene.


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In diesen Borgward Hansa 1500 darf man sogar einsteigen.


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Noch eine Etage weiter oben spielt eine Decap-Orgel gegen Münzeinwurf.


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Ansonsten war dort zwischen der Vielzahl an Fahrzeugen wohl nicht ganz so viel Platz für Theming wie unten.


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Hier liegt der Fokus dann wieder auf den Autos und ihren Schöpfern.


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Einige der Hallenstützen wurden mit Infostelen verkleidet, auf denen der Werdegang verschiedener Automobil-Größen erläutert wird.


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Ein Schwerpunkt der Ausstellung ist die Entwicklung der Auto-Union mit ihren vier Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer.


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Von diesem Audi Front 225 Luxus Gläser sind wohl nur noch 6 existierende Exemplare bekannt.


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Interessant für Autoscooter-Fans: Die Karosserie des DKW F4 Roadsters wurde von Ihle gefertigt. S


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Ein Auto Union 1000 SP Roadster.


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Aus mehreren Varianten des Audi 100 sticht dieser Umbau zum Cabrio durch Crayford hervor. Davon wurden lediglich 9 Stück gebaut.


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Auch vom legendären NSU Prinz kann man verschiedene Generationen bewundern.


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Den VW K70 hatte ebenfalls NSU entwickelt.


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Porsche ist im Zylinderhaus leider nicht so stark vertreten.


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Auch von BMW gibt es nur eine vergleichsweise kleine Auswahl.


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Von der Bremer Marke Borgward gibt es dagegen deutlich mehr zu sehen.


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Darunter das elegante Cabrio-Coupé der Isabella.


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Eins der wenigen Fahrzeuge, die man dank des Standplatzes auch von hinten uneingeschränkt bewundern kann.


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Um die Ecke rum wurde dann doch nochmal ein kleiner Campingplatz eingerichtet. Dort präsentieren sich eine Isetta samt Piccolo-Wohnwagen.


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Ein Wartburg 1000 Camping mit Panoramafenstern und Faltschiebedach.


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Und natürlich darf auch der VW Bulli nicht fehlen.


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Gegenüber am Strand wartet noch ein VW Kübelwagen darauf, das Boot ins Wasser zu lassen.


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Im letzten Raum finden sich vorwiegend Sportwagen. Neben weiteren BMWs auch ein Audi Quattro.


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Dazu ein DKW Monza mit Kunststoffkarosserie, von dem noch rund 50 Stück existieren sollen.


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Ein Thurner RS auf NSU-Basis.


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Beim Colani GT handelt es sich um eine vom berühmten Designer Luigi Colani gestaltete Kunststoff-Karosserie, die auf ein Käfer-Fahrgestell aufgesetzt wurde.


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Und sogar einen Trabi in Rallye-Version gibt es zu sehen.


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Diesen Käfer kann man ab Minute 3:06 des Musikvideos zu Coming Come (Jeanny Part 2, ein Jahr danach) von Falco bewundern:


Dieses Video wird direkt von youtube.com abgespielt. onride.de übernimmt keine Haftung für die dargestellten Inhalte.


Ein Kärntner Arzt und Freund Falcos hatte diesem den Käfer für das Video geliehen. Dessen Neffe verkaufte den 2016 verunfallten Wagen an einen Oldtimersammler, der ihn komplett restaurieren ließ. Eher nebenbei hatte der Arztneffe dann von dem Filmauftritt gesprochen, woraufhin wohl zwei Nächte lang sämtliche Falco-Musikvideos durchsucht wurden, ehe man bei Coming Home fündig wurde. Das Kennzeichen diente als Beweis. Als der Käfer im Juni diesen Jahres weiterverkauft werden sollte, schlug Bernd Benninghoven innerhalb weniger Stunden zu - für 55.000€. Die Geschichte machte in den Medien schnell die Runde, sodass sich wenig später sogar ein neuseeländischer Falco-Fanclub meldete. Und das Museum bekam auch noch eine Vespa angeboten, mit der der Musiker in der Dominikanischen Republik unterwegs war. Die Falco-Ecke wurde am 25. Juli 2021 offiziell enthüllt.


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Angesichts der Lage in Sichtweite der Mosel darf eine Ecke zum Thema Weinbau natürlich auch nicht fehlen.


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Und daneben zeigt sich, dass Oldtimer leider nicht immer so glänzend schön daher kommen.


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Und trotzdem ist der künstlich zugewachsene Schrottplatz mit seiner bedrückenden Atmosphäre überaus sehenswert.


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In einem kleinen Nebenraum hängen noch ein paar alte Automaten.


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Und es kann kostenlos geflippert werden. Meine Mutter war dort kaum wieder wegzubekommen. S


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Schlussendlich ging es aber am Nachbau einer Schmiede vorbei wieder zum Aufzug nach unten.


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Im Aufzug finden sich übrigens diverse Zitate zum Thema Autos.


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Auf dem Weg zum Ausgang gibt es noch ein paar alte Maschinen und Werkzeuge zu sehen.


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Wobei die auf der Empore leider nicht ganz so gut zu sehen sind.


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Und natürlich führt der Weg nach draußen durch den Souvenirshop.


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Wobei mich echt interessieren würde, ob wirklich jemand solchen Krimskrams zu den Preisen mitnimmt. S


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Obwohl, so ein Toilettenpapierhalter könnte auch gut in Rookburgh stehen.


Übrigens wollte Herr Benninghoven im Jahr 2008 sogar eine eigene Automarke etablieren. Unter dem Namen Benarrow (Ben für Benninghoven und Arrow für Pfeil) entstand in zweijähriger Entwicklungszeit der PB5 in Zusammenarbeit mit der Universität von Coventry auf Basis eines Audi S5. Der V8-Motor wurde auf 525 PS aufgemotzt, womit das Geschoss 280 km/h erreichen sollte. Der Listenpreis betrug schmale 267.000€. Die Schwierigkeiten einer solchen Autoentwicklung - Sicherheitsprobleme, gesetzliche Hürden, ein Namensstreit mit einem im Westen bis dato völlig unbekannten chinesischen Unternehmen - konnten für den PB5 zwar überwunden werden, aber man sah wohl ein, dass Benarrow als Autobauer keine Zukunft hatte. Die Pläne für weitere Modelle verschwanden in der Schublade und auch vom PB5 wurden lediglich 6 Exemplare gebaut. Die Marke blieb aber erhalten und tritt inzwischen als Werkstatt speziell für Oldtimer auf. Dort werden nun also unter anderem die Exponate des Zylinderhauses restauriert und in Schuss gehalten.


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Einer der sechs PB5 ist im Shop ausgestellt.


Fazit: Ich muss gestehen, ich hatte die Ausstellung im Zylinderhaus unterschätzt. Es gibt eben nicht nur eine ganze Menge alter Autos zu sehen, sondern auch eine große Anzahl an Zweirädern und jede Menge anderer Gegenstände aus der Vergangenheit, die in einer authentischen Ladenzeile und zwischen den Autos präsentiert werden. Wenn man sich dann auch noch die zahlreichen Beschreibungen zu den einzelnen Fahrzeugen, Herstellern und Persönlichkeiten durchliest, wird man schon einige Stunden beschäftigt sein. Wir brauchten für den Rundgang gute zwei Stunden, ohne allzu detailliertes Studium der Texte. Wenn ich etwas kritisieren müsste, dann höchstens die dicken Seile und die Hinweistafeln, die guten Fotos häufig im Weg standen. Außerdem stehen die Fahrzeuge teilweise schon recht dicht aneinander, viel Platz für weitere Exponate scheint man nicht eingeplant zu haben. Aber es gibt ja auch wie gesagt schon mehr als genug zu sehen. Wenn ihr also mal an der Mosel unterwegs sein solltet und euch für alte Autos interessiert, kann ich einen Abstecher nach Bernkastel-Kues zum Zylinderhaus nur empfehlen.



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